2. Mediendidaktik
Section outline
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Neben der historischen Bedeutung und Entwicklung von Medien sollen in diesem Abschnitt vor allem Grundlagen des Lernens mit Medien aus psychologischer und pädagogischer Perspektive beleuchtet werden.Die Erkenntnise über lerntheoretische Grundlagen lassen Rückschlüsse auf die Gestaltung verschiedener mediendidaktischer Lehr- und Lernszenarien zu.Darüber hinaus soll auch ein konkreter Bezug zum multimedialen Lernen hergestellt und Schlussfolgerungen für die Praxis präsentiert werden.Weiterführende Inhalte und Themen zum Thema Unterricht gestalten, verschiedene Lernformen und praktische Beispiele finden Sie hier!-
2.1 Mediendidaktik - Inhalte & Themen
Thema der Mediendidaktik ist das Lehren und Lernen mit Medien. Dies umfasst analoge Medien, wie Texte und Bücher, genauso wie digitale Medien, zum Beispiel Lernsoftware auf einer DVD oder über das Internet abgerufene Materialien, die in institutionellen (schulischen) Kontexten und in der Freizeit genutzt werden. (Kerres, 2007: 1)
Darüber hinaus soll die Rolle der Lernenden beleuchtet werden, die über den Status eines reinen Rezipienten hinaus geht und vielfältige Möglichkeiten der Partizipation und Interaktion am Lehr- und Lerngeschehen beinhaltet. Dies hat wiederum Einfluss auf die Gestaltung und Organisation von Inhalten durch den Lehrenden.
Für eine didaktisch zielgerichtete Planung, Organisation und Umsetzung von Unterricht sollen lerntheoretische Grundlagen nachfolgend erläutert und ein Zusammenhang mit einer mediendidaktischen Gestaltung hergestellt werden.
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2.2 Mediale Entwicklung - Geschichte & Bedeutung

Im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts etablierten sich die ersten Massenpressen. Bücher wurden industriell produziert und der Film hielt Einzug in Teile Westeuropas (vgl. Moser, 2008).
Die wachsende Bedeutung dieser Medien in der Gesellschaft und ihre Auswirkung auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen wurde im reformpädagogischen Diskurs Anfang des 20. Jahrhunderts äußerst kritisch betrachtet (vgl. Wolgast, 1951; Thomas, 1911).
In der NS-Zeit wurden Medien dann bekanntlich gezielt zur Propaganda eingesetzt und nahmen eine zentrale Rolle in der Vermittlung Hitlers nationalsozialistischer Ideologie ein (vgl. Podehl, 2008).
Darüber hinaus kam es zu einem bedeutendem technologischen Durchbruch: Der erste programmierbare Computer und der Transistor wurden entwickelt und bildeten damit „das wahre Herz der informationstechnologischen Revolution im 20. Jahrhundert“ (Castells, 2001: 43). Der Transistor, nachweislich 1947 in New Jersey (USA) durch die Physiker Bardee, Brattain und Shockley erfunden, ließ erstmalig eine Verarbeitung elektrischer Impulse zu, die über einen binären Code erste Formen logischer Codierung und Kommunikation zwischen Maschinen ermöglichte (vgl. ebd., 2001: 44).
Schon vor und während der NS-Herrschaft in Deutschland verfasste Adolf Reichwein grundlegende Werke zur Medienpädagogik, welche ein „Gegenkonzept zu der damals propagierten und praktizierten nationalsozialistischen Medienarbeit“ (Amlung, Meyer, 2008: 38) darstellten und in ihren Überlegungen Wegbereiter für eine handlungsorientierte Medienpädagogik waren. Reichweins Vorstellung von Unterricht umfasste im Kern eine Förderung von Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit von Schülern und basierte auf der Anerkennung und der Nutzung von Individualität für die Gemeinschaft.Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Diskussion um die Rolle der Medien in der Kinder- und Jugenderziehung erneut aufgenommen. Insbesondere der Film und die Jugendliteratur standen hierbei im Mittelpunkt der pädagogischen Auseinandersetzung, polarisierten und forcierten aufgrund ihrer bereits damaligen enormen Bedeutsamkeit entsprechende Reformen im Schulsystem (vgl. Moser, 2008).
Die heutige Medienpädagogik hatte ihre Wurzeln jedoch erst in den sechziger und siebziger Jahren, als in erster Linie der Erziehungswissenschaftler Dieter Baacke (1973) die Thematik aufgriff und entsprechende fachwissenschaftliche Diskurse vorantrieb (vgl. Moser, 2008).Trotz der Entwicklung und entsprechenden Arbeiten bzw. Studien in diesem speziellen Feld, kritisieren Süss, Lampert und Wijnen, dass sich „die Medienpädagogik auch nach über 50 Jahren theoretischer, empirischer und praktischer Arbeiten noch immer in der Selbstfindungsphase befindet und um ihre Positionierung im Reigen der Fachdisziplinen und Anwendungsfelder kämpfen muss“ (2010: 14).Einen kurzen Überblick über die Entwicklung und Bedeutung von Technologie in unserer Gesellschaft finden Sie in diesem Video: -
2.3 Mediendidaktik und Kognition

Die kognitive Repräsentation, Verarbeitung und Verknüpfung von Informationen über verschiedenen Sinnesmodalitäten sind Gegenstand vieler Studien und liefern Erkenntnisse über Lernprozesse aus pschyologischer und pädagogischer Perspektive.
Im folgenden Abschnitt sollen relevante Zusammenhänge von Kognition und didaktischen Prozessen, insbesondere des Lehrens und Lernens mit neuen Medien, erörtert werden.
Darüber hinaus sollen Schußfolgerungen für die Gestaltung von digitalen Lehr- und Lernarrangements gezogen werden.
Welche Auswirkungen haben lern- und kognitionspsychologische Grundlagen und Theorien sowie pädagogische Anforderungen und Zielsetzungen auf eine entsprechende Gestaltung von Online-Lehr- und Lernszenarien?Inwieweit sollten Lernende geführt werden müssen bzw. inwieweit sollten sie selbstbestimmt und möglichst frei agieren? (vgl. Eichelberger & Laner, 2010).Was bedeutet dies für die Gestaltung von hybriden Lehr- und Lernszenarien? -
2.3.1 Lernen aus psychologischer Sicht
In Anlehnung an Wiemeyer (2007: 23) lassen sich drei
entscheidende Strömungsrichtungen für multimediales Lernen aus psychologischer Sicht finden:Behaviorismus: Lernen als Ausbildung und Veränderung von Reiz- Reaktions-VerknüpfungenKognitivismus: Lernen als Veränderung kognitiver Repräsentationen und interner ModelleKonstruktivismus: Lernen als aktiv-konstruktiver Prozess des LernendenLernen: Ein Prozess, der relativ stabilen Veränderung des Verhaltens, Denkens oder Fühlens aufgrund von Erfahrung oder neu gewonnenen Einsichten und des Verständnisses.In diesem Abschnitt sollen die drei Strömungsrichtungen im Hinblick auf ihre Bedeutung für digitale Lehrszenarien vorgestellt werden, ergänzt um die Kognitive Theorie des multimedialen Lernens von Richard E. Mayer (2001): -
Behaviorismus und Mediendidaktik
Die behavioristische Perspektive multimedialen Lernens reduziert sich im Kern auf die äußere Beobachtung menschlichen Verhaltens.
Der Ansatz geht u.a. auf Albert Bandura (1977) zurück, welcher das Lernen am Modell empirisch in Experimenten nachweisen konnte (vgl. Bandura, Ross & Ross, 1963). Das Beobachten von bestimmten Verhaltensweisen und der unmittelbaren Konsequenz dieses Verhaltens führt damit zu Lerneffekten, die unweigerlich auch mit den dabei miterlebten Erwartungen und Emotionen verbunden sind (vgl. Issing, 2009: 23).
Reaktionen auf bestimmte Reize (z.B. eine spezifische Handlung) resultieren in einer Adaption des Verhaltens. Iwan Pawlow konnte diese Reiz-Reaktions-Verknüpfungen in seinem berühmten Hundeexperiment nachweisen und formulierte daraufhin das Prinzip der klassischen (respondenten) Konditionierung (vgl. Schulmeister, 2002; Plassmann, 2006).
Dieser Ansatz wurde durch B.F. Skinner (1976) erweitert, indem er die vermutete Konsequenz eines Verhaltens als Einflussfaktor für das Lernen durch Reize miteinbezog. Diese Annahme, dass ein bestimmtes Verhalten zu einer bestimmten Reaktion führt (im Sinne von positiver und negativer Verstärkung), fasste Skinner unter dem Begriff der operanten Konditionierung zusammen. Als positive oder negative Verstärker sei hier z.B. das Belohnen und/oder Bestrafen eines bestimmten Verhaltens erwähnt.
Transfereffekte zur Mediendidaktik:
Es kristallisiert sich die Begrifflichkeit der Programmierten Instruktion heraus (vgl. Ungerer, 1972; Daugs, 1979).
Es handelt sich dabei im Kern um Übungsprogramme, die spezifische Informationen bzw. spezifisches Wissen präsentieren und dazu im Anschluss Testfragen formulieren, um den Lernerfolg des Benutzers zu überprüfen. Die unmittelbare Rückmeldung des Programmes über die gegebene Antwort des Lernenden spiegelt eine Analogie zur Theorie der operanten Konditionierung wider (vgl. Danisch, 2007). Die mediale Präsentation von Modellen bzw. eines bestimmten Modellverhaltens bietet nach Issing eine gute Möglichkeit für Lernende, sich komplexe Verhaltensweisen über ein „kognitives Modellieren“ (2009: 24) anzueignen.
Neben der reinen Präsentation sollte die reale und/oder virtuelle Modellperson dabei ihr Verhalten auch noch verbalisieren und es kommentierend begleiten, um bei den Lernenden eine effektivere Adaption gewährleisten zu können (vgl. Danisch, 2009: 24ff.)Die Kritik an dieser Art der Lernvermittlung ist die oftmals relativ starre, nicht sehr abwechslungsreiche Form der reinen Wissensabfrage, die den Lernenden längerfristig eine passive Rolle aufzwingen und kreatives Handeln sowie Flexibilität begrenzen (vgl. Blumstengel, 1998; Kerres, 2001).Die Bedeutung des Beobachtungslernens für das E-Learning ist darüber hinaus eng mit der „Fähigkeit zur Selbststeuerung des Lernens“ (Issing, 2009: 24) verbunden. Problematisch wird dies vor allem dann, wenn sich Lernende durch entsprechende Übungseinheiten nur schnell „durchklicken“, ohne sich Fehlern und/oder komplexeren Zusammenhängen wirklich bewusst zu werden (vgl. Steinmetz, 1999). -
Kognitivismus und Mediendidaktik
Der Kognitivismus bzw. die Kognitionspsychologie konzentriert sich auf „die wissenschaftliche Untersuchung kognitiver Prozesse wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Begriffsbildung, Denken, Erkennen, Sprache, Vorstellungen, Problemlösen, Erinnern, Vergessen“ (Issing, 2009: 24).
Zentrales Merkmal kognitionspsychologischer Theorien stellen interne Repräsentationen der Umwelt dar (vgl. Edelmann, 1996). Die Informationsverarbeitung des Lernenden, die sich über Teilprozesse wie der Erweiterung, der Modifikation und der Verknüpfung von aufgenommenen Informationen und bereits vorhandenem Wissen abspielt, bildet dabei das dynamische Kernstück kognitivistischer Untersuchungen und Fragestellungen (vgl. Seel, 2000; Danisch, 2007).
Entgegen der behavioristischen Lerntheorien wirken eben diese kognitiven Prozesse auf das Verhalten des Lernenden und nicht die sichtbaren Verhaltensänderungen (vgl. Bonner, 1988).
Transfereffekte zur Mediendidaktik:
Ausgehend von der kognitivistischen Perspektive für das multimediale Lernen sollte eine praktische Umsetzung, wie z.B. in einer Lernsoftware, eine mediale Präsentationsform wählen, die den Lernenden stimuliert, kognitive Verarbeitungsprozesse selbstständig zu initiieren. Salomon und Cohen (1977) bezeichneten diesen Prozess als „Supplanation“ und stellten damit die unterstützende Funktion von Medien bei Lernprozessen heraus.
Die aktive Informationsverarbeitung (Issing, 2009: 24) wird bei Lernenden nur dann ausgelöst bzw. initiiert, wenn das didaktische Design von multimedialen Lernangeboten eine Struktur beinhaltet, die die Lernenden mit ihren Vorkenntnissen und ihrem Verständnis von fachspezifischen Zusammenhängen dort abholt, wo neue Informationen und damit neues Wissen anknüpfen, und anschließend durch die Lernenden assimiliert und akkommodiert werden können (vgl. Piaget, 1985).
Es ist daher aus Sicht der Lehrperson u.a. erforderlich, sich ein Bild über das Vorwissen der Lernenden bzw. der Zielgruppe zu machen, um multimediale Lernangebote optimal anpassen zu können! -
Konstruktivismus und Mediendidaktik
Der Konstruktivismus beschreibt Lernen als einen aktiven Prozess, bei dem das Individuum sich Lösungen für Fragestellungen und Probleme selbstständig erarbeitet bzw. „konstruiert“ und dabei auf Erfahrungen zurückgreift, die über eigene Werte, Überzeugungen und Muster geformt und verknüpft werden (vgl. Stangl, 2005).
Thissen (1999) definiert die Rolle des Lehrenden als eine Art Unterstützer, der anregt, fördert und den Lernenden bei der Problemlösung begleitet.
Die konstruktivistische Psychologie gliedert sich in einige heterogene Ansätze (vgl. Woolfolk, 2008), die jedoch im Kern das selbstständige Lernen mit dem persönlichen Erwerb von Wissen in realitätsnahen Situationen verbinden (vgl. Issing, 2009: 30f.).
Im Unterschied zum Kognitivismus fokussieren sich konstruktivistische Lerntheorien daher nicht primär auf eine kognitive Informationsverarbeitung, sondern auf die „Konstruktion von Bedeutungen“ (Albrecht, 2003: 50) in einer Art „Wechselspiel mit der Umwelt“ (Danisch, 2007: 49).
Wissen wird damit individuell generiert und das eigene Verständnis von Wirklichkeit konstruiert und fortlaufend im sozialen Kontext modifiziert.Tranfereffekte zur Mediendidaktik:Die Selbststeuerung des Lernens findet sich heute vor allem auch in Blended-Learning-Szenarien wieder. Lernende erarbeiten sich Grundlagen und Inhalte über z.B. einen Kurs auf einer Lernplattform, der von Lehrenden betreut und gestaltet wird. Die Aufbereitung der Inhalte kann über verschiedene Tools, Darstellungsformen, Überprüfungen und begleitende Foren didaktisch unterstützt werden und sollte Neugier beim Lernenden wecken.Die anschließenden Präsenzphasen werden dann für spezifische Schwerpunkte und Vertiefungen des Faches genutzt, ein kooperatives und kollaboratives Lernen in der Gruppe dabei gefördert. Gerade auch bestimmte, der Thematik zugeordnete, authentische Situationen oder Probleme können hier mit dem zuvor angeeigneten Wissen bearbeitet und in der Gruppe diskutiert werden. -
Kognitive Theorie des multimedialen Lernens
Die Kognitive Theorie des multimedialen Lernens geht auf Richard E. Mayer (2001) zurück und basiert auf der von John Sweller begründeten Cognitive Load Theory (1991).Im Kern unterteilen die Theorien ein Arbeitsgedächtnis (AG) und ein Langzeitgedächtnis (LZG), die unterschiedliche Aufgaben erfüllen und sich dabei gegenseitig beeinflussen.Das AG hat eine begrenzte Speicherkapazität, ist aber relevant bei Problemlösungs- und Informationsverarbeitungsprozessen und entscheidend für den Wissenserwerb. Informationen werden zunächst über den sensorischen Speicher wenige Milisekunden aufgenommen (über die Sinnesorgane) und weitergeleitet, das AG verarbeitet die Informationen im Zusammenspiel mit dem LZG.Das AG bildet über die Informationsverarbeitung sogenannte Schemata auf, die Wissen speichern und in vorhandene Schemata einbinden. Das AG bedient sich hierfür im LZG, da sämtliche, gelernte Informationen hier gespeichert sind.Schemata senken die kognitive Belastung beim Lernen, da sie teils unbewusst und automatisiert ablaufen. Schemata greifen auf bereits Erlerntes zurück und unterstützen damit den neuen Lernvorgang. Es ist wie ein Mechanismus zu verstehen, der hilft Wissen zu organisieren und für die Speicherung im LZG vorzubereiten.Richard E. Mayers Modell (2001) beschreibt diese Vorgänge als Selection – Organisation – Integration (SOI).Relevante Wörter und Bildinhalte werden kognitiv ausgewählt, in bestehende Schemata strukturiert und in vorhandendes Wissen (im LZG) integriert.Die mehrfach empirisch abgesicherten Theorien haben zu wichtigen Erkenntnissen und Theorien des multimedialen Lernens geführt. Die wichtigsten Prinzipien für die Gestaltung sind hier zusammengefasst! -
2.3.2 Lernen aus pädagogischer Sicht
Pädagogik bzw. die Wissenschaft der Erziehung sollte u.a. den Anspruch besitzen, Interesse am Lernen allgemein sowie der Aneignung und Anwendung von spezifischem Wissen zu wecken, dem Lernenden entsprechende Verknüpfungen zwischen Theorie und Praxis aufzuzeigen und ihm einen Transfer in den persönlichen, sozialen und beruflichen Alltag zu ermöglichen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) konstatierte bereits 2001 im Zusammenhang mit der Förderung von „Lebenslangem Lernen“: „Für den Einzelnen ist ständige Weiterbildung zur Entwicklung und Förderung beruflicher Qualifikationen und Kompetenzen, gesellschaftlichen Wissens, sozialer und kultureller Teilhabe, von Orientierungsvermögen, selbständigem Handeln und Eigenverantwortung unverzichtbar geworden“ (2001: 3).
Lebenslanges Lernen geht jedoch über die Teilnahme an Weiterbildungs- und Fortbildungsprogrammen hinaus und schließt ebenfalls „die aktive Partizipation an kulturellen Wissensressourcen und gesellschaftlicher Wissenskommunikation ein“ (Kerres et al., 2011: 3).
Diese Erweiterung des Verständnisses über Lebenslanges Lernen unterstreicht die Relevanz digitaler Medien und des Internets, da diese den Zugang zu Informationen, dessen Verknüpfung und die allgemeine Partizipation an gesellschaftlicher Wissenskommunikation grundlegend verändern (vgl. ebd.).
Nachfolgend soll dieser Aspekt beleuchtet werden und neue Varianten von Lernorganisation vorgestellt werden.
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Soziales Lernen
Die Aufgabe, die sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen und gerade auch der Digitalisierung ableitet, befasst sich mit Lernprozessen und einer Lernvermittlung, die sich losgelöst von einer rein traditionell institutionalisierten Form der allgemeinen Bildung (vgl. Nuissl, 2010) etabliert und Chancen bietet, Pädagogik mit diesen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters anzureichern und sich damit auch ein Stück weit der gesellschaftlichen Lebenswelt anzupassen. Ein "soziales Lernen" fand letztlich schon immer statt, unterliegt aber mittlerweile neuen Gegebenheiten bzw. wird aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen anders praktiziert. Lernprozesse werden auch durch Kommunikationswege bestimmt, welche vermehrt auf digitale Medien, Tools und Plattformen zurückgreifen. Lernende organisieren sich online, teilen und vernetzen Informationen, entsprechende Daten und letztlich ihr Wissen untereinander. Diese Entwicklung trägt zu einem anderen Verständnis des sozialen Lernens bei und lässt neue Schlussfolgerungen für Lehr- und Lernprozesse zu.
Wie kann man pädagogische Zielsetzungen in Lernprozesse integrieren, die sich mit einer veränderten Wissensaneignung, einer neuartigen Wissensvernetzung und einer Wissenskommunikation konfrontiert sehen?Kerres et al. diskutieren diesbezüglich eine „Variante der Lernorganisation“, das sogenannte „Soziale Lernen“. Die Autoren beziehen diesen Begriff auf unterschiedliche Sachverhalte in der „Diskussion über Didaktik“ (2011: 3).
- auf einen bestimmten Lerngegenstand und Lernziele, die mit dem Erlernen von Sozialverhalten zusammenhängen (Rollenübernahme, Gesprächsführung, Empathie, Respekt, Verantwortung, Teamfähigkeit etc.),
- auf eine bestimmte didaktische Methode: z.B. das kooperative Lernen, bei dem gemeinsam an einem fachlichen Thema gearbeitet wird.
- auf verschiedene technische Medien und Werkzeuge, die den kommunikativen Austausch und das Zusammenarbeiten von Lernenden unterstützen
- auf eine bestimmte Lernorganisation und das Lernen in einem sozialen Kontext / mit anderen Menschen (Peers)
(vgl. Kerres et al., 2011: 3)
Soziales Lernen grenzt sich dabei zwar definitorisch als Variante der Lernorganisation von einem autodidaktischen Lernen und dem betreuten Lernen ab, integriert diese Formen aber je nach Organisation und Gestaltung von Lernprozessen.Diese „alternativen Wege des Lernens“ (Kerres et al., 2011: 5) als Variante von Lernorganisation lassen vielfältige Vorteile erkennen:
„1. Bestimmte Lehrziele lassen sich nur in sozialen Settings erreichen: z. B. Fertigkeiten in der Gesprächsführung, Teamfähigkeit etc. Andere Lernende können dabei Übungspartner/innen oder auch Rollen-Vorbilder sein, um Sozialverhalten zu erlernen.
2. Bestimmte didaktische Methoden erfordern ein [sic] Partner- oder Gruppenkonstellation: z. B. das kooperative Lernen mit Lernaufgaben. So sind Lernerfahrungen möglich, die in einer autodidaktischen Situation nicht realisierbar wären.3. In Gruppen entstehen Beziehungen zwischen Menschen, die den Lernort und das Lernen selbst aufwerten und interessanter machen. Es zeigt sich, dass dies die Gefahr des Abbruchs von Lernaktivitäten («Dropout») senken kann.
4. Andere Lerner sind Wissensressourcen, die zusätzliche (authentische) Sichten und unterschiedliche Fertigkeiten für die Bearbeitung von Gruppenaufgaben einbringen, die sie in anderen Kontexten erworben haben.
5. Durch den Austausch von Menschen in Gruppen entstehen Impulse für das Lernen von Organisationen. Dies trägt zur Entwicklung von Organisationen bei, auch jenseits des Lernens des Einzelnen.
6. Durch die Teilhabe an Wissensgemeinschaften vernetzen sich Lernende mit Anderen. Es öffnet sich der Zugang zu kulturellem Wissen und gesellschaftlicher Kommunikation“
(Kerres et al., 2011: 5f.)
Bildung und Erziehung erfahren im Kontext des digitalen Zeitalters eine Erweiterung um die Perspektive der Netzwerkbildung. Die Wissenserschließung des Individuums ist scheinbar umso erfolgsversprechender, je qualitativ hochwertiger dessen Vernetzung und die Rekonstruktion von Wissen durch neue Verknüpfungen gelingt (vgl. Siemens, 2009)Hieraus formuliert sich ein Anspruch von moderner Pädagogik, der Bedeutung von kollektiver Intelligenz einen größeren Stellenwert zukommen zu lassen und nicht mehr nur ausschließlich das Individuum zu stärken, sondern dessen Arbeit in der Gemeinschaft und die Fähigkeit, sich als Wissensressource in eine soziale Form der Lernorganisation einzubringen (vgl. Downes, 2010). -
Genetisches Lehren und Lernen
Ein didaktisches Konzept, welches von einem pädagogischen Blickwinkel her interessant erscheint, stellt das Genetische Lehren und Lernen dar.
Die Genese (die Entstehung und Entwicklung) von Wissen basiert laut Wagenschein (1976: 73) auf einer Anknüpfung an bereits bestehende Erfahrungen der Lernenden und führt im Sinne einer genetisch-sokratischen Vermittlung zum Austausch, zu einem unter Beteiligung der Schüler*Innen entstehenden Dialog, der eigene Beiträge und Fragestellungen provoziert und in den Lehr- und Lernprozess überführt.
Lernen wird dabei aus einer konstruktivistischen Sicht heraus als Prozess verstanden, in dem Lernende aktiv und handelnd mit Fragestellungen und Problemen umgehen und dabei auf Erfahrungen zurückgreifen, die über eigene Werte, Überzeugungen und Muster geformt und verknüpft werden (vgl. Stangl, 2005).
Die Lehrkraft sieht sich zu Beginn eines Lernprozesses aufgefordert, das Interesse der Lernenden zu wecken und ihnen eine Herausforderung zu stellen, die neugierig macht und Problemlösestrategien initiiert (vgl. Sinnig, 2010).
Ein in diesem Zusammenhang gefördertes, schülerzentriertes, selbstbestimmtes Lernen, dass soziale Interaktion ermöglicht und die Bearbeitung von Aufgaben in verschiedenen Rollen kooperativ, als auch kollaborativ beabsichtigt, könnte damit Entwicklungen und Anforderungen in der Didaktik (Bologna) und im späteren Arbeitsalltag (Arbeitswelt 4.0) entsprechen.
Genetisches Lehren und Lernen als Blended Learning?
Kooperatives und kollaboratives Lernen sind soziale Lernformen, die Anknüpfungspunkte für Lehrszenarien bieten, die digitale Medien integrieren und im Sinne einer hybriden Vermittlung genutzt werden können.
Die aus der Lernpsychologie zugrundliegenden konstruktivistischen Theorien hinter dieser Methodik, lassen Analogien zur heutigen Arbeitswelt erkennen und verdeutlichen eine Relevanz der formulierten Fragestellung. Der gemeinsamen Arbeit an einem Problem, einem Projekt oder eben an bestimmten Arbeitsaufträgen über digitale Technologien (Cloud, Plattformen etc.) kommt ein hoher Stellenwert in der Arbeitswelt 4.0 zu.
Dem gilt es auch in der Didaktik und Ausbildung von Lernenden Rechnung zu tragen und kooperatives sowie kollaboratives Arbeiten in Präsenz, aber auch gerade in virtuellen Räumen mehr Gewicht zu geben. Blended-Learning Szenarien, die die Vorteile von Präsenz- und Online-Lehre kombinieren, eignen sich diesbezüglich in besonderer Weise, da hier Potentiale im Sinne des genetischen Lehrens und Lernens verankert sind.
Über verschiedene Tools können Lernende auf einer Lernplattform stimuliert und motiviert werden, kognitive Verarbeitungsprozesse zu initiieren und eine entsprechende Bearbeitung von Lerninhalten zu verfolgen. Die Lehrkraft versteht sich hierbei in der Rolle des/der Moderator*In, eines Tutors bzw. einer Tutorin und Begleiter*In von diesen Lernprozessen, die das didaktische Gerüst bzw. die Struktur des Kurses festlegt und auf die Zielgruppe zuschneidet.
Gerade auch in den Präsenzphasen kann die Lehrkraft diesen Rollen nochmal mehr Gewicht geben, da im direkten Kontakt und Austausch mit der Lerngruppe tiefergehende Probleme, entstandene Fragen und Themen behandelt werden können. Diese Aspekte von Blended Learning-Szenarien spiegeln sich im Konzept des genetischen Lehrens und Lernens wieder und lassen daher auch im Hinblick auf eine Kompetenzorientierung in der Didaktik Anknüpfungspunkte zu. -
2.4 Medienkompetenz

Eine zielgruppengerechte und moderne Mediendidaktik gelingt nur durch vorhandene oder sich anzueignende Medienkompetenz.
Die Aneignung dieser entsprechenden Kompetenzen kann man nach Baacke (1997) in vier Bereiche der Medienkompetenz einordnen:
Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung.
Unabhängig von diesen Bereichen ist Medienkompetenz essentiell und eine Schlüsselqualifikation in der heutigen Netzwerkgesellschaft.
Informations- und Kommunikationsprozesse werden maßgeblich durch (zunehmend digitale) Medien bestimmt!
Das folgende Video enthält eine zusammenfassende Empfehlung, wie man sich als Lehrkraft Medienkompetenz aneignen kann:
Vertiefende Themen zur Medienkompetenz, Projekte und Links finden Sie hier!
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